Siegward Sprotte
Wie malt man eine Woge?
Siegward Sprotte
Wie malt man eine Woge?
Ausstellungseröffnung am Sonntag, 23. November um 11 Uhr
Ausstellung in Husum
23. November 2025 – 31. Januar 2026
23. November 2025 – 31. Januar 2026
Hinweis: Die Galerie St. Peter-Ording befindet sich vom 11.01. – 29.01.23 in der Winterpause.
Was geschieht mit einem Objekt, wenn ich es male? Wie verändert das Sehen das Gesehene? Was geschieht mit dem Gemalten, wenn ich es betrachte?
Siegward Sprottes lebenslange Beschäftigung mit dem Verhältnis von Darstellung und Dargestelltem spiegelt sich in seinen Schriften und Ateliergesprächen wider, die er mit Philosophen, Musiker, Wissenschaftlern und Schriftstellern führte.
In seiner Kunst verschmelzen Philosophie und Malerei, das macht sie zu keiner leichten Kost. Ohne Kenntnis seiner Gedanken, wirken seine Aquarell-, Gouache- und Ölgemälde, wie spontane Skizzen, die auf ihre detaillierte Ausführung noch warten. Doch Siegward Sprotte entfernte sich bewusst von einer naturgetreuen Abbildung. Er widmete diesem Prozess die Arbeitsmappe: “Abschied vom Bilde”.
Seine künstlerische Entwicklung verlief nicht gradlinig, sondern wie er selbst sagte, “eher schlängelt sie sich wie ein Fluß mit zahlreichen Kurven und Windungen”. Gegenständliche und zeichenhaft-abstrakte Landschaften entstehen nebeneinander, eine altmeisterliche Malweise steht gleichwertig neben dem freien Malen ohne Kontur. Er nannte solch intuitive Arbeiten, die direkt vor der Natur entstehen “Stenogramme“.
Früh prägten ihn seine Lehrer. Mit 17 Jahren wurde er Schüler von Karl Hagemeister, der im Sinne von William Turner eine kosmische Malerei suchte. Bereits Karl Hagemeisters “Wogenbilder” verbinden Reduktion, Rhythmus und Bewegung zu einer Synthese aus östlicher und westlicher Malweise. Später nimmt Siegward Sprotte mit seinen eigenen Wogenbildern, “Sonnenuntergang” und “Kampen/Sylt”, darauf Bezug. Auch Emil Orlik, sein Lehrer an der Berliner Akademie, beeinflusste ihn nachhaltig, indem er den Japonismus und die Technik des japanischen Holzschnitts vermittelte.
Wie Wilhelm Turner strebt Siegward Sprotte danach, das Sichtbare in Farbe und Bewegung aufzulösen, um der Kraft der Natur Raum zu geben. Beide Künstler verstanden Malerei nicht als Abbild, sondern als Versuch, das Unmittelbare der Naturwahrnehmung, den Prozess des Sehens und Werdens sichtbar zu machen. Siegward Sprotte fand dafür in der asiatischen Kunst eine verwandte Haltung: Reduktion als Weg zur Essenz.
Die Mappe “Abschied vom Bilde” (um 1970) ist ein gutes Beispiel dessen Anwendung. Der Titel dieser Werkreihe bedeutet kein Verzicht auf das Bild, sondern ein poetisches Manifest: das Sein des Gesehenen erhält Vorrang vor dem Abbild und der Interpretation. Für Siegward Sprotte hemmt der Akt des Abbildens das Abgebildete in seiner Entwicklung. Das Bild annektiert das Lebendige. Deshalb malte er keine Portraits. Aus Verantwortung wollte er das Sein seines Gegenübers nicht vereinnahmen. Die Mappe “Abschied vom Bilde” ist also kein totaler Bildverzicht, sondern ein poetisches Programm: Das Bild darf nicht über das Sein dominieren, sondern muss dessen Präsenz wahren. Im Vorwort zu der Mappe benutzt D´Arschot den Begriff “Gesicht” als Bezeichnung für das Gegenüber, das sich in der Betrachtung ”face en face” offenbart.
Diese Begriffe “Gesicht”, “face en face” und “Aug in Aug” tauchen in vielen Werkreihen auf. Sie verdeutlichen Siegward Sprottes Verständnis des Malens als gegenseitigen Schöpfungsprozess, eine Kommunikation, die das Sein der Natur nicht hemmt. Seine Stenogramme entstehen als unmittelbare Antwort auf das Wahrgenommene ohne Korrektur, offen für den Augenblick und das Unvorhersehbare.
Durch dieses aktive Sehen tritt er mit der Natur in einen beidseitigen Schaffensprozess ein. Die Natur wird zum Gegenüber und offenbart sich im Moment des Malens. Siegward Sprotte sucht nach einer tieferliegenden Struktur der Landschaft, ähnlich dem Knochengerüst des menschlichen Körpers, und entdeckt sie in rhythmischen Farbfolgen. In seiner Reihe “Farbfolgen schaffen Landschaft” untersucht er Abfolgen wie Himmel – Horizont – Meer – Strand. Sie bilden die konstante Struktur der Landschaft und zeigen zugleich ihre Wandelbarkeit in Licht, Farbe und Stimmung.
Dieses analytische Einfühlen in die Natur, diese Gleichberechtigte Kommunikation mit ihr lässt Siegward Sprotte vom reinen Beobachter zum Mitschöpfer werden. Auf die Frage “Wie malt man eine Woge” antwortete er: “ Man muss sich wie eine Woge bewegen – dann wird es eine Woge.”